Google verwandelt das Onlineshopping in ein KI-Experiment. Mit einer Reihe neuer Funktionen will der Konzern die Art und Weise, wie Menschen Produkte suchen und kaufen, grundlegend verändern. Statt Stichwörter einzutippen, sollen Nutzer künftig einfach sagen, was sie wollen: „Ich suche eine nachhaltige Winterjacke unter 200 Euro“ – und die Suchmaschine liefert passende Vorschläge, Preise und Bilder.
Google macht Shopping zum Dialog
Was auf den ersten Blick nach Komfort klingt, ist in Wahrheit ein weiterer Schritt, mit dem Google die Grenze zwischen alltäglicher Interaktion und Datenerfassung verwischt. Denn jede natürliche Anfrage, jeder formulierte Wunsch offenbart ein Stück mehr über die Person dahinter – von Kaufkraft über Stil bis hin zu Lebensumständen.
Wenn die KI für uns einkauft
Besonders ambitioniert ist Googles neues Konzept des sogenannten „agentischen Checkouts“. Dabei überwacht die KI Preisverläufe und kauft Produkte automatisch, sobald sie günstiger werden – natürlich nur, nachdem der Nutzer einmal zugestimmt hat. Doch diese scheinbare Bequemlichkeit hat ihren Preis: Damit das System funktioniert, muss Google Zugriff auf Zahlungsinformationen, Lieferadressen und persönliche Präferenzen haben.
Google verspricht, alle Käufe nur nach Freigabe auszuführen. Doch selbst wenn die KI nicht ohne Zustimmung bestellt, bleibt sie tief in den privaten Konsumalltag eingebunden. Wer wann was kaufen will, zu welchem Preis und an welche Adresse – all das sind hochsensible Daten. Sie eröffnen ein nahezu vollständiges Profil der Lebensgewohnheiten eines Menschen.
Und hier liegt der eigentliche Punkt: Wenn Google den gesamten Einkaufsprozess – von der Suche bis zur Zahlung – steuert, kontrolliert das Unternehmen auch alle Daten, die dazwischen entstehen.
Die KI ruft an – und hört mit
Am deutlichsten zeigt sich Googles Vorstoß in die reale Welt bei einer weiteren neuen Funktion: Die KI kann selbstständig in Geschäften anrufen, um nach Produkten, Preisen oder Verfügbarkeit zu fragen. Was zunächst nach Service klingt, ist datenschutzrechtlich ein Albtraum.
Denn diese Anrufe werden aufgezeichnet, verarbeitet und ausgewertet – von einer Maschine. Dabei entstehen Gesprächsdaten, die Rückschlüsse auf den Standort, das Konsumverhalten und sogar auf die Stimme oder den Umgangston der Menschen im Laden zulassen könnten. Google betont, dass die KI ihre Identität offengelegt und Händler sich abmelden können. Doch wer kontrolliert, wie diese Daten tatsächlich genutzt oder gespeichert werden?
Was als harmlose Hilfsfunktion vermarktet wird, öffnet die Tür für automatisierte Datenerhebung außerhalb des Internets – eine Sphäre, die bislang als relativ geschützt galt.
Ein Datenschutzproblem auf mehreren Ebenen
All diese Funktionen funktionieren nur, wenn Google über Jahre gesammelte Nutzerdaten miteinander verknüpft – Suchhistorien, Standortverläufe, Kaufverhalten, Geräteinformationen. So entsteht ein hochpräzises Nutzerprofil, das nicht nur für bessere Empfehlungen genutzt werden kann, sondern auch für Werbung, Preisdynamik oder Marktanalysen.
Für europäische Verhältnisse ist das heikel. Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) schreibt vor, dass personenbezogene Daten nur für klar definierte Zwecke verarbeitet werden dürfen. Eine KI, die eigenständig Preise überwacht, Bestellungen tätigt oder Telefongespräche führt, überschreitet diese Grenze leicht. Eine Einwilligung ist zwar vorgesehen – doch wie informiert kann sie sein, wenn Nutzer kaum nachvollziehen können, welche Datenflüsse im Hintergrund stattfinden?
Hinzu kommt die Intransparenz: Google erklärt zwar, dass keine sensiblen Daten ohne Zustimmung verarbeitet werden. Doch wie „Zustimmung“ konkret aussieht, wenn ein System automatisch handelt, bleibt unklar.
Die Macht des Komforts
Googles neue Shopping-KI ist vor allem eines: bequem. Sie nimmt den Menschen Arbeit ab, spart Zeit, erkennt Wünsche, bevor sie ausgesprochen sind. Aber sie verführt damit auch zu einem Tauschgeschäft, dessen Konsequenzen vielen erst später bewusst werden.
Denn wer Google das Einkaufen überlässt, überlässt ihm auch die Kontrolle über Konsumdaten – und damit über einen wesentlichen Teil seiner digitalen Identität. In Zukunft könnte die Suchmaschine nicht nur wissen, wonach wir suchen, sondern auch, was wir besitzen, wann wir kaufen und was wir uns leisten können.
Das ist nicht mehr bloß ein technologischer Fortschritt, sondern eine Verschiebung von Macht: von den Nutzern hin zu einem Konzern, der über die umfassendsten Datenbestände der Welt verfügt.
Komfort gegen Kontrolle
Googles neue Shopping-Funktionen zeigen, wie eng Komfort und Überwachung inzwischen miteinander verflochten sind. Die versprochene „natürliche Einkaufserfahrung“ basiert auf der umfassenden Analyse unseres Konsumverhaltens. Die KI mag uns das Leben erleichtern – aber sie dringt auch tiefer in unseren Alltag vor, als es vielen bewusst ist.
Was als nützlicher Service beginnt, könnte schnell zu einem weiteren Schritt in Richtung totaler Datenökonomie werden: einer Welt, in der selbst der Einkauf ein Datensatz ist – und jeder Klick, jedes Gespräch, jeder Kauf ein Puzzleteil im digitalen Profil.
Solange Google nicht transparent offenlegt, wie diese neuen KI-Systeme mit persönlichen Informationen umgehen, bleibt der Preis für diese Bequemlichkeit hoch: unsere Privatsphäre.
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